Es ist tatsächlich bereits fünf Jahre her, als das abrupte Ende des fünf Jahre langen Hypes rund um Musikspiele mit Kunststoffinstrumenten eintrat. Gestartet als Nischenprodukt galt es anfangs eher unbekannte Musikstücke auf einem speziellen Gitarren-Controller durch zeitlich auf das Lied abgestimmtes Drücken von Tasten am Gitarrenhals nachzuspielen. Mit dem Herauswachsen aus der Nische wurden die nachfolgenden Videospiele mit bekannteren Liedern ausgestattet, der Gitarren-Controller um einen Schlagzeug-Controller sowie ein Mikrofon erweitert und die Positionierung vom Solospiel in Richtung Partyspiel abgeändert. Es folgten der Ausbau des digitalen Vertriebs zusätzlicher Lieder, spezielle Band-Editionen und Spin-Offs in allen Formen und Varianten für nahezu alle Plattformen. Innerhalb dieser Hype-Jahre veröffentlichen Activision Blizzard und Electronic Arts zusammengezählt 36 Musikspiele unter den Marken Guitar Hero und Rock Band. Viel zu viel für einen am Ende massiv übersättigten Markt, viel zu teuer um auf Dauer auch Gelegenheitsspieler weiterhin zum Kauf zu animieren und viel zu unverschämt um gegen Ende hin überhaupt noch ernst genommen zu werden. Im Oktober 2015 feiern beide Spieleserien ein Comeback, beide mit unterschiedlichen Grundansätzen und die Wahrnehmung bei den Spielern könnte nicht unterschiedlicher sein als sie es derzeit ist.
Guitar Hero Live geht für den Neustart der Marke viele Schritte zurück und lässt den angehäuften Ballast der letzten Teile komplett hinter sich um von vorne beginnen zu können. Reduziert auf den Gitarren-Controller drückt man die Tasten am Gitarrenhals und sieht am Bildschirm den eigenen Auftritt aus der Egoperspektive vor einem aufgezeichneten realen Publikum, welches wie die anderen Bandmitglieder auf die eigene Spielleistung passend reagieren. Anstelle der gemeinsamen Musikerfahrung vor einem Bildschirm läuft der Mehrspielermodus primär online unter der Bezeichnung Guitar Hero TV und bietet verschiedene Musikkanäle mit verschiedenen Songs damit man dabei Fantasie-Geldeinheiten sammelt und gegen Freunde mittels Punktevergleich antritt. So wie das Videospiel wurde auch der Videospiel-Controller überarbeitet und aus fünf Notentasten wurden sechs, welche anstelle nebeneinander nun in zwei Reihen zu je drei Tasten angeordnet sind. Der Rest ist typisch für eine große AAA-Produktion und neben den zu erwartenden kostenpflichtigen Premiumkanälen für Guitar Hero TV sind die bereits angekündigten Ableger für Apple TV, iPad, iPhone und den iPod Touch ein strategisch logischer Schritt um ein möglichst breites Publikum zu erreichen.
Der mit Rock Band 4 eingeschlagene Weg geht passend zur Ziffer im Titel den typischen Weg eines Nachfolgers. Mit einem etwas geringeren Fokus auf die in der Vergangenheit eingeführten Spezialfunktionen der Instrumente selbst und der stärkeren Ausprägung der Basis-Spielmechanik, gilt es sich als Band durch verschiedene Jahrzehnte der Musikgeschichte zu spielen. Bis zu vier Spieler schlüpfen in die seit Beginn der Serie vorhandenen Bandrollen Leadgitarrist, Bassist, Schlagzeuger sowie Sänger und nutzen hierfür die dazugehörigen Kunststoffinstrumente. Strategisch ist es eine klassische Weiterentwicklung, die aber gleichzeitig den mittlerweile auch fast ebenso üblichen Wandel in Richtung Plattform darstellt. Anstelle weiterer Nachfolger soll Rock Band 4 als Basis für die nächsten Jahre dienen und mittels kostenloser und kostenpflichtiger Updates weiterentwickelt werden. Ein weiterer vom Entwickler Harmonix eingeschlagener strategischer Aspekt ist das Thema Abwärtskompatibilität. Frühere Teile der Serie boten auf PlayStation 3 und Xbox 360 einen umfangreichen Katalog an kostenpflichtigen Lieder zum Download, der fast komplett auch für Rock Band 4 zur Verfügung stehen wird. Zuvor gekaufte Inhalte können kostenlos übernommen werden und passend dazu gilt die Abwärtskompatibilität auch für Kunststoffinstrumente aus der letzten Videospielkonsolengeneration. Die PlayStation 3 Instrumente funktionieren ohne zusätzlichen Aufwand auf der PlayStation 4, die Xbox 360 Modelle erfordern aufgrund der geänderten Funktechnologie einen dem Spiel beiliegenden USB-Adapter um Gitarren, Schlagzeug und Mikrofon auf der Xbox One kabellos in Betrieb nehmen zu können.
Gedanklich ein Sprung zurück ins Jahr 2005 und ein genauerer Blick auf das damalige Hauptproblem, welches zum vorübergehenden Ende der beiden Serien führte. Neben der Marktüberschwemmung mit Videospielen war es der Vertrauensverlust in beide Hersteller, da lange Zeit weder für Guitar Hero noch für Rock Band eine für den Spieler nachhaltige Strategie erkennbar war. Nachhaltig in Bezug auf die Frage ob man gekaufte Dinge auch zukünftig und auch bei neuen Ablegern der Serie nutzen kann. Dies betraf sowohl digital erworbene Lieder, aber auch die Eingabegeräte. Jährlich gab es überarbeitete Versionen von Gitarre und Schlagzeug mit neuen Detailfunktionen, wodurch man mit den im Vorjahr gekauften Kunststoffinstrumenten zwar den Nachfolger spielen konnte, aber einige spielerische Neuerungen aufgrund der alten Instrumente nicht genutzt werden konnten. Für den Vorgänger gekaufte digitale Inhalte wie Lieder oder Alben? Wenn man im Guitar Hero Universum unterwegs war lautete die unbequeme Antwort, dass die Inhalte erneut gekauft werden müssen, wobei nicht jedes Lied für jeden Ableger der Serie verfügbar war. Electronic Arts bildete diese Thematik bei Rock Band besser ab, wodurch heruntergeladene Inhalte in den primären Teilen der Serie automatisch verfügbar waren und zur Klarheit mit Rock Band 3 auch ein eigenständiger versionsneutraler digitaler Rock Band Shop geschaffen wurde.
Zurück in die Gegenwart und ein konkreterer Blick auf die Guitar Hero Live Positionierung durch Activision Blizzard. Ein überarbeiteter Gitarren-Controller mit einer zusätzlichen Taste sowie neuer Anordnung der Tasten, Rückkehr zur Einzelspielererfahrung und Premiuminhalte die momentan in Richtung des fremdgesteuerten Konsums gehen und weniger als digitaler Besitz eingestuft werden können. Durch die Entscheidung zum Neustart gibt es den harten Schnitt zur letzten Videospielgeneration und egal ob man bereits einen Teil der Guitar Hero Serie besitzt oder Guitar Hero Live das erste Musikspiele ist, alle Spieler startet mit der gleichen Basis und ohne Inhalte von früher. Harmonix startet bei Rock Band 4 mit einer neuen Version der Instrumente und gleichzeitiger Abwärtskompatibilität der eigenen Eingabegeräte der letzten Videospielgeneration. Dank der gleichen Spielmechanik funktionieren bereits im Rock Band Shop gekaufte Inhalte auch problemlos auf den neuen Videospielkonsolen und der digitale Besitz wird durch die Positionierung als Plattform sowie automatische Übernahme bereits gekaufter Lieder gefestigt.
Guitar Hero Live ist eine massive Weiterentwicklung eines 2005 gestarteten Nischenprodukts und strotzt vor neuen Funktionen. Angepasst an die Wünsche der Kunden im Jahr 2015 und begleitet von einer massiven Werbekampagne positioniert Activision Blizzard das Videospiel als den ultimativen Konzertsimulator für Solospieler im eigenen Wohnzimmer. Rock Band 4 ist die strategische Weiterentwicklung einer Serie zur Plattform, die behutsam einzelne spielerische Funktionen perfektioniert. Der Verzicht neuer Funktionen findet zugunsten des Feedbacks der Community statt, wodurch Themen wie die analoge Abwärtskompatibilität oder der Import früherer digitaler Käufe überhaupt erst zum Thema und zur Realität wurden. Eine Grundsatzentscheidung des Entwicklers, die anscheinend wirtschaftlich so schwierig zu beurteilen ist, dass sich keiner der üblichen Publisher auf eine Vertriebsvereinbarung eingelassen hat und Harmonix nun selbst als Publisher agiert und den Vertrieb gemeinsam mit Mad Catz abwickelt.
Das Resultat? In der (PlayStation 4) Bestseller Liste von Amazon belegt das Guitar Hero Live Gitarren Bundle derzeit den Platz 102, das Rock Band 4 Gitarren Bundle den Platz 216 und Rock Band 4 als reines Videospiel nur mehr Platz 288. Was lernen wir daraus? Im Jahr 2015 gibt es keinen Hype mehr um Musikspiele und wer wirtschaftlich erfolgreich sein möchte, muss nicht zwangsläufig auf den lauten Teil seiner Kunden hören.
Sowohl Guitar Hero Live als auch Rock Band 4 erscheinen im Oktober und wagen sich erneut an das Thema Musikspiele mit Kunststoffinstrumenten. Guitar Hero Live startet am 23. Oktober und kann bei Amazon* für etwa 100 Euro in der Basisversion mit einem Gitarren-Controller für die alten sowie aktuellen Videospielkonsolen vorbestellt werden. Rock Band 4 wird am 6. Oktober für die aktuelle Videospielkonsolengeneration veröffentlicht und kostet 70 bis 90 Euro in der Basisversion*, 160 Euro im Bundle mit einer Gitarre* und 300 Euro in der Band-Gesamtausstattung*.