Gefühlt relativ leise wurde vor wenigen Wochen der erste Teil der Assassin’s Creed Chronicles Trilogie auf den digitalen Markplätzen der aktuellen Videospielkonsolen sowie auf Uplay für den PC veröffentlicht. Ungewöhnlich unauffällig für Ubisoft, da das im Jahr 2007 eingeführte Assassin’s Creed Franchise mittlerweile die für das französische Unternehmen stärkste und wirtschaftlich wichtigste Marke darstellt. Begründet liegt es wohl darin, dass das Spiel mechanisch wenig bis nichts mit den bisherigen Teilen der Serie zu tun hat und damit eher die Rolle des Exoten im bisherigen Assassin’s Creed Spieleuniversum einnimmt.
Stellt sich nur die Frage was ist Assassin’s Creed Chronicles: China? Nüchtern betrachtet ein äußerst hübscher 2D Plattformer mit starkem Fokus auf das Schleichen und einem eher selten gut funktionierenden Kampfsystem. Über diese Basis wurden optische, inhaltliche und spielmechanisch reduzierte Elemente der Serie gezogen und das Resultat zusätzlich auf die Antworten von unterschiedlichen Fokusgruppenbefragungen ausgerichtet. Die beiden letzten Sätze klingen vermutlich etwas hart und sind es auch aus der Perspektive eines Assassin’s Creed Fans. Es ist aber relativ genau das Gefühlsergebnis, welches ich im Laufe des etwa fünf Stunden langen Abenteuers hatte: Anfangs optimistisch motiviert, mittendrinnen etwas enttäuscht und gegen Ende hin teilweise genervt.
Aber schauen wir uns die einzelnen Punkte der Reihe nach an, um zu verstehen, was meine Probleme mit Assassin’s Creed Chronicles: China sind. Als Spieler hat man die Kontrolle über die letzte Assassinin der chinesischen Bruderschaft, kehrt zwecks Rachefeldzug zurück in die Heimat und schleicht sich durch mehr oder weniger bekannte aber durchgehend hübsche Schauplätze um mehr oder weniger bekannten historischen Figuren zu treffen oder diese zu eliminieren. Der Weg zum Ziel ist im Prinzip relativ einfach: Abschnitt betreten, das Bewegungsmuster sowie die für den Spieler gekennzeichneten Sichtkegel der Gegner studieren, mögliche Verstecke und Gefahren erkennen, einen Plan überlegen und diesen dann umsetzen. Solange alles gut geht und man nicht entdeckt wird, funktioniert die Spielmechanik einwandfrei und ist auch durchaus befriedigend. Man eliminiert Gegner aus dem Gebüsch oder Heuhaufen, führt ein Attentat von der Decke hängend aus oder lenkt gezielt mittels Pfeifen oder Knallkörper einzelne Gegner ab. Wird man jedoch entdeckt, funktioniert die Spielmechanik leider nur noch bedingt. Zum einen weil das Kampfsystem und die träge manchmal auch willkürlich wirkende Kampfsteuerung eher so lala sind, weil man nach zwei oder drei Treffern stirbt und danach leicht frustriert am Beginn des Abschnitts wieder startet oder mit mehr Glück als Verstand einen Wechsel der Ebene in den Vorder- oder Hintergrund schafft. Obwohl der Titel gerne als 2,5D Plattformer vermarktet wird, bleiben alle Gegner sowie deren Sichtkegel steif in der eigenen dann doch wieder nur 2D Ebene gefangen und Gegner verlieren den Spieler dadurch einfach aus dem Fokus, aber dazu später mehr.
Über das Kampfsystem und den schnellen Tod kann ich zumindest irgendwie hinwegsehen, da der spielerische Fokus auf dem Schleichen und der sorgfältigen Planung liegt. Schwieriger wird es jedoch beim Verhalten der Gegner, da dadurch die eigentlich vom Spiel erzeugte Illusion nicht mehr funktioniert. Da wird man gesehen wenn man eine Leiche verstecken möchte und innerhalb von Sekunden ist alles wieder im grünen Bereich, da man glücklicherweise gerade in den Ebene wechseln kann und dies auch tut. Das Sichtfeld des Gegners bleibt in der alten Spielebene und auch die Alarmierung lässt die gegnerischen Kollegen im Vordergrund absolut unbeeindruckt, während sich in der zuvor aktiven Ebene eine kleine unbesiegbare Armee zusammenrottet. Eine Situation die vielleicht eher selten vorkommen mag, aber wenn doch, relativ stark die Limitierungen des spielerischen Regelwerks aufzeigt. Ähnliches gilt wenn sich zwei Gegner miteinander unterhalten. Egal was neben, über oder unter den Beiden passiert, sie bekommen nicht mal eine Explosion während ihres Gesprächs mit. So gut die optische Illusion von Assassin’s Creed Chronicles: China auch sein mag, es ist unheimlich Schade, dass diese durch das unlogische Verhalten der Gegner gebrochen wird.
Der für mich schwierigste und wohl kritischste Aspekt ist die meine eigene zum größten Teil leider falsche Erwartungshaltung. Wo Assassin’s Creed drauf steht, erwarte zumindest ich irgendwie Assassin’s Creed. Assassin’s Creed Chronicles: China ist ein 2D Plattformer mit Schleichkomponente dem gefühlt teilweise lieblos der Assassin’s Creed Hut übergezogen wurde. Den berüchtigten Sprung von einem Vorsprung in der Heuhaufen? Gibt es, bringt aber spielerisch quasi nichts. Heuhaufen als Verstecke? In Summe etwa vier Mal vorhanden um irgendwie einen Bezug zum Franchise zu haben. Wurfmesser und Helix Sammelobjekte? Rein damit, auch wenn man diese nicht wirklich braucht. Emotional verschlimmert wird dies noch durch die inhaltliche Platzierung in China und bei den folgenden Teilen in Indien und Russland. Alle drei Szenarien sind Fanfavoriten für künftige Spiele und scheinen jetzt als optische Hülle für einen ohne Lizenz wohl eher schwieriger vermarktbaren Download-Titel zu dienen.
Genug kritisiert, denn Kritik ist immer einfach. Was müsste man meiner Ansicht nach machen um Assassin’s Creed Chronicles: China besser zu machen? Die Antwort und Lösung ist simpel, auch wenn diese aus heutiger Perspektive praktisch unmöglich für Ubisoft umzusetzen ist: Das Spiel nicht in das Assassin’s Creed Universum stecken, den Entwicklern nicht den spielerischen Zwangsbalast der Marke auferlegen und versuchen das Spiel in Form einer eigenständige Marke langsam zu etablieren. Dadurch fallen viele aufgezwungene Spielmechaniken weg und noch viel wichtiger, die Enttäuschung von Fans der Serie ist aufgrund der nicht mehr vorhandenen Erwartungshaltung kein Problem mehr und kann auch nicht gefährlich auf die mechanisch klassischen Spiele der Serie abfärben. Mit zusätzlichen kleineren Anpassungen des Kampfsystems und der Integration von in 2,5D denkenden und agierenden Gegner hätte das Spiel durchaus Potential eine Bereicherung für das Genre zu sein. So ist Assassin’s Creed Chronicles: China leider nur ein eher exotischer Ableger im Spieleuniversum, der Fans wie mich aufgrund einer zu hohen Erwartungshaltung leider nur bedingt begeistern kann.
Bitte nicht falsch verstehen, denn Assassin’s Creed Chronicles: China ist grundlegend kein schlechtes Spiel, es kann aber niemals die sehr hohe Erwartungshaltung erfüllen. Anders sieht es hingegen aus wenn man sich ohne Serienvorkenntnisse an das Spiel wagt, denn dann gibt kurzweilige Schleichkost für einige Stunden und die angeführten Wehwehchen fallen deutlich weniger ins Gewicht als wenn man seit mehr als acht Jahren ein Zweitleben als Assassine führt.
Gespielt wurde die Xbox One Version von Assassin’s Creed Chronicles: China. Neben der Xbox One gibt es auch eine Version für die PlayStation 4 sowie den PC. Der erste Teil der Assassin’s Creed Chronicles Trilogie ist rein digital im Xbox Store, dem PlayStation Network sowie Uplay für etwa 10 Euro erhältlich. Die beiden angekündigten Folgeteile spielen in Indien sowie Russland, werden im Laufe des Jahres ebenso rein digital auf den digitalen Marktplätzen erscheinen und vermutlich im Herbst gesammelt in Form eines physische Datenträger im Handel auftauchen. Spieler ohne Bezug zu Assassin’s Creed können durchaus zwecks kurzweiliger Unterhaltung zugreifen. Fans der Serie sollten vor dem Kauf die eigene Erwartungshaltung entsprechend anpassen um nicht unnötig in die Enttäuschungsfalle zu tappen. Hinweis hinsichtlich Transparenz: Ubisoft hat mir einen Xbox One Download Code für Assassin’s Creed Chronicles: China zur Verfügung stellt.