Die Versuchung einen Beitrag über Forza Horizon 2 mit Floskeln wie „Schöner, Größer, Umfangreicher, Besser!“ oder „Das Need for Speed auf welches wir seit Jahren warten!“ zu beginnen ist groß. Aufgrund der Feature Liste wenig verwunderlich, denn über 200 verschiedene Autos, eine hübsche Spielwelt die Südeuropa komprimiert abbildet, gute Musik und die Einbettung in ein Auto/Musik/Irgendwas-Festival erzeugen ein spielmechanisch funktionierendes Rennspiel ohne offensichtlichen Simulationsanspruch. Alles da was man bewusst und unbewusst möchte. Abwechslung, anstelle von Menübildschirmen eine offene Spielwelt, schwierig berechenbare Computergegner dank der Drivatar Technologie, Rennen auch abseits der Straße durch das Gelände, Schaurennen gegen Flugzeuge, Dinge die man Finden und Sammeln kann, der nahtlose Übergang vom Mehrspielermodus in den Solomodus und zurück, Belohnungen für Franchise-Veteranen und keine Microtransaktionen. Featureliste in 130 Wörter abgearbeitet und nebenbei zwei sich anbietende generische Floskeln eingebaut. Alles richtig gemacht, alle annähernd zufrieden gestellt. Zeit sich anders mit Forza Horizon 2 zu beschäftigen, Zeit für den Versuch die zwei wichtigsten Designentscheidungen im Spiel zu erfassen und zu verstehen. Warum? Forza Horizon 2 versucht alles richtig zu machen und dabei annähernd alle zufrieden zu stellen.
Rennspiele haben es schwer, da Designentscheidungen die unterschiedlichen aber quasi immer extrem ausgeprägten Anforderungen der Spieler abdecken müssen. Es gibt Spieler die ein hübsches unkompliziertes Rennspiel ohne großen Simulationsanspruch möchte und welche die eine realistische Spielerfahrung mit der Möglichkeit an jeder Schraube zu drehen fordern. Der eine möchte vom Spiel unterstützt in Kurven automatisch Bremsen, während andere alle Fahrhilfen deaktivieren. Manche sind frustriert wenn die Gegner ein realistisches Fahrverhalten an den Tag legen, während manchen die Fahrlogik der Kontrahenten zu berechenbar ist. Ein Teil der Käufer favorisiert ein paar Rennen zwischendurch im bevorzugten Auto, während der andere Teil jedes historische Fahrzeug einer Marke auf allen erdenklichen Kursen erleben möchte. Einer erwartet den Podiumsplatz am Ende des Spiels innerhalb weniger Spielstunden, während der Andere auch nach 100 Spielstunden noch neue Herausforderungen haben möchten. Es stellt sich immer die Frage nach Weiß oder Schwarz, das in der Mitte liegenden Grau gilt für beide Extreme als unvollständig.
Ein Weg dies zu erreichen ist das Weglassen einer gezielten Lernkurve beziehungsweise eines steigenden Schwierigkeitsgrades im Verlauf des Spiels. Abgesehen von einer kurzen als Tutorial dienenden Fahrt zu Beginn des Spiels, bleibt der Schwierigkeitsgrad grundlegend über das gesamte Spiel hinweg konstant. Eine eher ungewöhnliche Spielentscheidung, da aufgrund der fehlenden Lernkurve ein Videospiel im Regelfall nach und nach gefühlt leichter wird und der nicht vorhandenen Herausforderung langweilig. Üblich ist ein langsamer Anstieg dessen Steigung über den Spielverlauf stetig leicht zunimmt. Optimaler Weise dynamisch angepasst an die Spielerfähigkeiten, aber grundlegend steigend. Forza Horizon 2 ignoriert diese Schwierigkeitsgradkurve und lässt den Spieler dynamisch vor jedem Rennen und zu jedem Zeitpunkt den Schwierigkeitsgrad dynamisch festliegen. Fahrhilfen aus, Bremslinie ein, Aggressivitätslevel der anderer Fahrer oder das Schadensmodell lassen sich individuell in mehreren Stufen regulieren und können so je nach Anforderungsprofil des Spielers und oder dessen aktueller Motivation anpasst werden. Nicht unbedingt so ungewöhnlich für ein Rennspiel, aber sehr wohl ungewöhnlich für ein arcadelastiges Rennspiel, welches eine Einzelspielererfahrung in Form einer wenn auch eher seichten und leider absolut irrelevanten Geschichte bietet. Optimal für Spieler die ein superleichtes Spiel erleben wollen und ebenso gut für erfahrene Spieler, die stetig auf der Suche nach einer Herausforderung sind. Um den durchschnittlichen Spieler nun zu motivieren dennoch seine Schwierigkeitsgradstufe selbst zu steigern, wendet Forza Horizon 2 einen einfachen, aber effektiven Kniff an. Virtuelles Geld lautet das Zauberwort, denn je nach eingestellter Optionen ändert sich der Gewinnbetrag um ein paar Prozentpunkte noch oben. Je weniger Fahrhilfe und je stärker die Gegner, desto höher ist die Siegprämie und je höher die Siegprämie, desto schneller kann man neue Fahrzeuge im Spiel erwerben.
Die zweite wichtige Designentscheidung basiert auf der klassenbasierten Generierung von Spielinhalten zur Steigerung des Spielumfangs und zur besseren Abdeckung inhaltlicher Wünsche im ersten Drittel des Spiels. Was sich kompliziert liest, ist in Wirklichkeit ein simples Baukastensystem. Forza Horizon 2 bietet 168 unterschiedliche Meisterschaften, die aus je vier Rennen bestehen. Im Spiel gibt es ein paar dutzend Rennstrecken, die von einer oder mehrerer Autokategorien befahren werden können. Pro Autokategorie gibt es unterschiedliche Geschwindigkeitsklassen und anhand des eigenen Fahrzeugs in Verbindung mit dem aktuellen Standort in der offenen Spielwelt, wählt Forza Horizon 2 eine für den Spieler abgestimmte Meisterschaft aus. Fährt man ausschließlich mit schnellen Luxusautos, wird man keine Querfeldeinrennen bestreiten und eher selten einen Schotterabschnitt befahren. Ist hingegen ein geländetaugliches Allradfahrzeug die bevorzugte Wahl, liegt die Streckenführung meist abseits der befestigten Straße und die Autos der gegnerischen Fahrzeuge befinden sich praktischerweise auch immer in derselben Geschwindigkeitsklasse wie das eigene Fahrzeug. Anstelle einer fixen Reihenfolge wird diese indirekt vom Spieler durch die Fahrzeugwahl bestimmt, von der losen Einzelspielergeschichte zusammengehalten und um eine Handvoll Spezialrennen erweitert. 15 dieser dynamischen Meisterschaften gilt es zu gewinnen um die Einzelspielerfahrung zu beenden und gleichzeitig weniger als 10% des Spiels gesehen zu haben. Somit sorgt der nicht direkt sichtbare Baukastensystem für eine gute Kombination aus dem schnellen Rennen zwischendurch, einer überschaubaren Spielmenge um die Geschichte im Spiel zu absolvieren, freie Auswahlmöglichkeiten im ersten Spieldrittel und für einen massiven Spielumfang bei langfristigen Interesse am Titel.
Reichen diese zwei Designentscheidungen um aus Forza Horizon 2 ein extrem massenkompatibles Rennspiel zu machen? Nein, aber es sind meiner Meinung nach die beiden Aspekte, die am stärksten dazu beitragen in Kombination mit der in den ersten 130 Wörtern aufgezählten Featureliste um ein extrem massenkompatibles Rennspiel zu machen. Seit dem Start der neuen Konsolengeneration vor einen Jahr geht der Trend weg vom Einmalspiel in Richtung der Schaffung einer langfristigen Unterhaltsplattform. Forza Horizon 2 geht dank des Spielumfangs und vieler kleinen und sehr klugen Designentscheidungen genau in diese Richtung. Was bei Forza Horizon im Jahr 2012 noch Gewinnoptimierungen durch Mikrotransaktionen war, ist heute der Versuch einer langfristigen Unterhaltungsplanung. Stellt Forza Horizon 2 alle zufrieden? Nein, aber fast alle. Macht Forza Horizon 2 aus heutiger Perspektive alles richtig? Ja. Darf man zugreifen? Absolut.
Gespielt wurde die Xbox One Version über einen Zeitraum von vier Wochen. Neben der Xbox One gibt es auch eine zeitgleich erschienene Xbox 360 Version, welche sich jedoch stärker an Forza Horizon aus dem Jahr 2012 orientiert als an der Xbox One Version. Amazon verlangt für die Xbox One Version knapp 70 Euro und für die weniger empfehlenswerte Xbox 360 Version etwa 45 Euro. Forza Horizon 2 ist selbstverständlich auch in digitaler Form im Xbox Store erhältlich und kann durch monatlich erscheinende Autopakete erweitert werden. Hinweis hinsichtlich Transparenz: Microsoft hat mir einen Xbox One Download Code für die Day One Edition von Forza Horizon 2 zur Verfügung stellt.
Ein Kommentar zu „Forza Horizon 2“
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