Es ist 2013 und die achte Generation an Heimkonsolen steht an. Nintendo’s Wii U hat zwar einen zeitlichen Vorsprung gegenüber Playstation 4 und Xbox One, der aber aufgrund lächerlicher Verkaufszahlen von etwa 160.000 Stück im zweiten Quartal diesen Jahres irrelevant ist. Aus heutiger Sicht gilt leider selbiges auch für die Konsole selbst und alles deutet auf ein anstehendes Duell zwischen Sony und Microsoft hin. In zumindest drei Veranstaltungen pro Hersteller wurden die Vorzüge der eigenen Plattform schmackhaft gemacht, Vorbestell-Aktionen gestartet, 180° Flip-Flops hingelegt, viel Blabla kommuniziert und Seitenhiebe ausgeteilt.
Der Blick in einschlägige Foren zeigt ein mehr als fragwürdiges Bild, welches fast schon Parallelen zur Verfilmung eine Vampir-Werwolf-Saga aufweist. Entweder ist man bei Team Playstation oder Team Xbox und es gibt entweder Blau oder Grün. Ein türkiser Mittelweg scheint ähnlich unrealistisch, wie die Möglichkeit, dass sowohl Sony als auch Microsoft ein gemeinsames Ziel verfolgen. Die besten Videospiele in die Haushalte zu bringen? Netter Gedanken aber falsch, denn primär wollen beide Unternehmen Geld verdienen. Wirtschaftlich verständlich, aber aus Sicht der Kunden kein ehrenwertes Ziel. Die Lösung? Gutes Blabla und kleine Tricks um die Kunden auf den gewünschten Kurs zu bringen.
Mit der Xbox One Ankündigung im Mai skizzierte Microsoft den Plan einer geschlossenen kontrollierten Plattform, bei der jegliche Inhalte an Accounts gebunden sind und physische Datenträger zu schnellen Installationsmedien degradiert werden. Sony zog bei der Playstation 4 nicht mit, Internet und Presse zettelten einen Shitstorm an und nach etwa sechs Wochen betätigte Microsoft den 180° Flip-Flop Schalter um den Status Quo zu erhalten und alle waren glücklich. Das Konzept der kontrollierten Plattform wird aber von beiden Herstellern weiterverfolgt und in ein paar Jahren zum Standard werden. Der Weg dorthin? 55% der Playstation 4 und 22% der Xbox One Starttitel werden nur über die eigenen Onlinemarktplätze vertrieben. Anstelle von Datenträgern werden Spiele in Konsolenbundles nur noch als Downloadcodes beigelegt und bei den günstigen Spieleupgrades beim Wechsel auf die neue Generation handelt es sich um die Download-Versionen der Titel. Die im GameStandard besprochene Teilung der Zweiklassengesellschaft wird weiter ausgeprägt und die parallel erhältliche Download-Version wird ohne Zusatzkosten mit Extra-Boni ausgestattet.
Die Weichen dafür sind gestellt und sowohl Microsoft als auch Sony trainieren bereits jetzt den Kunden dorthin. Die Wahrscheinlichkeit ein Spiel digital zu erwerben ist höher, wenn man bereits in der Vergangenheit positive Erfahrungen damit gemacht hat. Im Rahmen der „Games with Gold“-Aktion werden bis Ende des Jahres auf dem Xbox LIVE Marktplatz monatlich zwei Spiele verschenkt und Playstation Plus ist seit Jahren ein hübsches Mietmodell mit etwa zehn kostenlosen Spielen pro Monat. Parallel dazu hat in den letzten 18 Monaten die Anzahl der digitalen Sonderverkäufe zugenommen und teils erst sechs Monate alte Spiele wandern dabei um etwa 10 Euro über die virtuelle Ladentheke. Einmal geladen stehen die Spiele jederzeit zur Verfügung und man nutzt unbewusst die Vor- und Nachteile der Download-Versionen. Kein Wechsel des Datenträgers wenn man etwas anderes spielen möchte, direkt die Spieleinladung des Freundes annehmen ohne vom Sofa aufstehen zu müssen und die Suche nach der Hülle oder dem Datenträger hat sich ebenso wie das Verleihen oder Weiterverkaufen erledigt.
Das Fehlen des realen Bezugs hilft zusätzlich bei der Transformation weg vom Produkt hin zur Dienstleistung. Die Motivation dahinter? Die Entwicklungskosten steigen, der Verkaufspreis liegt aber bereits im Bereich der Schmerzgrenze. Warum Download-Versionen helfen? Die fehlende Bindung zum (nicht vorhandenen) Eigentum ist bei physischen Produkten deutlich stärker vorhanden. Die ersten Schritte dazu machte Sony mit dem Playstation Plus Abo Mietmodell. Der nächste Schritt von Sony ist die zur gamescom 2013 veröffentlichte 200 Euro günstige Playstation 3. Kombiniert man diese mit einem Playstation Plus Abo, hat man quasi kostenlosen Zugriff auf eine umfangreiche digitale Spielebibliothek und ist auch die nächsten Jahre versorgt ohne ein Spiel kaufen zu müssen. Der Haken bei der Sache? Der in der Playstation 3 verbaute 12 GB Flashspeicher reicht für maximal ein Spiel, welches dann für das nächste Spiel wieder gelöscht werden muss. Der erneute kostenlose Download ist natürlich jederzeit möglich, aber nur dann wenn man zahlender Playstation Plus Kunde ist und bleibt. Natürlich kann man nachträglich eine Festplatte einbauen um den Speicher zu erweitern, aber die von Sony anvisierte Zielgruppe wird dies kaum tun oder wissen.
Eine andere Art der Dienstleistung ist das am PC bereits erfolgreiche Free2Play Modell, welches adaptiert nun auch endgültig die nächste Generation der Heimkonsolen erreichen wird. Microsoft startet auf der Xbox One das Vertriebsmodell mit dem Prügelspiel Killer Instinct. Die für zahlende Gold-Mitglieder kostenlose Grundfassung beinhaltet alle Spielmodi und Welten, jedoch nur einen Kämpfer. Jeder weitere der acht Charaktere kann individuell für 5 Euro oder alle gemeinsam für 20 Euro freigeschaltet werden. Für in Summe 40 Euro gibt es noch zusätzliche Charakter-Kostüme und den Klassiker Killer Instinct als Arcade-Game oben drauf. Sony setzt auf das Rennspiel Driveclub in der PlayStation Plus Edition, welche zahlenden Mitgliedern Zugriff auf eine Auswahl an Autos und Strecken bietet. Weitere Inhalte sind individuell zu bezahlen und ein Upgrade auf die normale Verkaufsversion ist natürlich jederzeit im Playstation Store gegen den Austausch von Kreditkartendaten möglich. Die Einstiegshürde ist gleich null und der Preis des Spiels steigt dynamisch mit dem gewünschten Spielumfang. Die nächste logische Stufe? Anstelle von Charakteren, Autos oder Strecken wird man in drei Jahren alternativ Spielzeit in Stundenpaketen kaufen können.
Ein weiterer Schritt ist die gleichzeitige Veröffentlichung des Spiels im Handel und als Download-Version. Auch wenn aufgrund der noch vorhandenen Stärke des Einzelhandels noch keine wirklich günstigeren Preise für die Download-Versionen zu erwarten sind, gibt es viel subtilere Methoden die Verkäufe in die gewünschte Richtung zu lenken. So wie es bei unterschiedlichen Händlern unterschiedliche Vorbesteller-Boni gibt, werden auch rein digitale Versionen entsprechende Boni erhalten. Dies beginnt bei Zusatzinhalten, geht weiter über den Zugang zu Premiumdiensten oder gar kostenlosen Spielzeitpaketen für andere Titel des gleichen Publishers. Der Preis bleibt dabei gleich, der Mehrwert gegenüber der Version aus dem Einzelhandel wird aber spürbar gesteigert um ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten zu können.
Der Übergang vom Einzelkauf hin zur Dienstleistung fand vor etwa drei Jahren mit dem Start von Playstation Plus statt und nimmt mit dem anstehenden Generationswechsel an Fahrt auf. Dieser Wechsel ist wirtschaftlich wichtig für die Industrie und auch äußerst praktisch aufgrund der möglichen Eindämmung des unwillkommenen kommerziellen Gebrauchtmarktes. Die wohl wichtigste Messgröße wird zukünftig auch nicht mehr die Anzahl der verkauften Konsolen sein, sondern der pro verkaufter Konsole digital erzielte Umsatz.
Das alles erinnert stark an das ursprüngliche Konzept der Xbox One, welches noch vor Monaten von Spielern, Kunden und Journalisten torpediert wurde. Nach der gamescom zeigt sich ein anderes Bild, denn die oben weiter gedachten Ansätze wurde sowohl von den Besuchern der Messe als auch von Journalisten mit teilweise tosenden Applaus bei den jeweiligen Veranstaltungen von Sony und Microsoft abgefeiert. Warum sich jetzt niemand mehr über die Limitierungen der Download-Versionen beschwert? Weil wir weiterhin unsere heißgeliebten aber demnächst nutzlosen physischen Datenträger kaufen können, die Spieleupgrades auf die neue Konsolengeneration super günstig sein werden und kostenlose digitale Inhalte und Spiele gern gesehen werden. Ebenso ist es als Spielefachjournalist einfacher das ungefilterte Blabla ohne großes Nachdenken zu veröffentlichen, als zu versuchen Einzelaussagen zu verknüpfen und die Bedürfnisse und Motive der Spieleindustrie verstehen zu wollen. Der Trick der Hersteller dabei ist die Sachen entsprechend hübsch zu verkaufen und diese Taktik ist auf der diesjährigen gamescom aufgegangen.
Ich persönlich freue mich auf die nächste Generation an Heimkonsolen und auch der Wechsel auf neue Geschäftsmodelle sagt mir als Spieler zu. Viele Vorteile wie der sofortige Spielwechsel, hoffentlich neue Spielkonzepte und auch auf lange Sicht gesehen eine günstigere Art der Unterhaltung wird erst dadurch möglich. Was ich jedoch merkwürdig finde, ist die sprunghafte Meinungsänderung von Spielern und Journalisten. In Wirklichkeit verfolgen sowohl Sony als auch Microsoft von Beginn an ein ähnliches Ziel, wenn auch mit einem anderen Fokus. Was beide bisher unterschieden hat, war die Art der Kommunikation. Diese hat sich aber im Rahmen der diesjährigen gamescom fast angeglichen und das Resultat? Tosenden Applaus und euphorische Jubelschreie auf allen Ebenen.