Wenn ich mit mittlerweile zu oft wiederholten Sätzen beginnen müsste, dann stünde hier eine Geschichte von früher, als ich noch Module für das Super NES um 1300 Schilling gekauft habe. Für diese hart gesparten Geldeinheiten gab es keine Collectors Edition, denn dies war der normale Preis, den die Spieleindustrie einst für das Luxushobby der Videospieler haben wollte.
Im Preis eines Videospiels verstecken sich viele Kosten und den richtigen Wert zu definieren fällt schwer. Ein Blick in Richtung Amazon zeigt, dass der Wert je nach Plattform variiert und beim regulären Vertriebsweg zwischen 60 Euro für Xbox 360 sowie Playstation 3 Spiele und 35 Euro für Nintendo DS Titeln liegt. Gerne wird auch für die Wertschöpfung der hinkende Vergleich mit dem Kino gesucht: ein Film dauert zwei Stunden, die Kinokarte kostet acht Euro und der Gegenwert für eine Stunde Unterhaltung liegt bei vier Euro. Versucht man dies nun in die Welt der Videospiele zu übertragen, darf ein Einzelspielertitel mit sechs Stunden Spielzeit 24 Euro kosten und eine Simulation mit der man 50 Stunden verbringt, müsste für 200 Euro den Besitzer wechseln.
Diese Milchbubenrechnung kann natürlich nicht aufgehen und der Handel hat sich nach dem Gesetz der freien Marktwirtschaft bei den oben angeführten Werten eingependelt. So weit so gut, wenn da nicht dieser neue Vertriebsweg der digitalen Distribution langsam aber sicher immer stärker wird. Der im Juli 2008 gestartet App Store für das iPhone machte den digitalen Verkauf massenkompatibel und sorgte kurz später für eine drastische Reduzierung der Wertschöpfung von Spielen. Lagen am Anfang die Preise noch bei etwa 5 Euro so kannibalisieren sich seit geraumer Zeit die Anbieter selbst und ein Verkaufspreis von 0,79 Euro hat sich eingebürgert. Ein rascher Blick auf die 25 meistverkauften Spiele zeigt, dass es nur zwei Titel wagen die anscheinend magische Grenze von einem Euro zu durchbrechen und noch trauriger wird die Sache, wenn man sich die Beteiligten ansieht, denn auch EA oder Ubisoft spielen beim Preisdumping mit.
Die fadenscheinige Ausrede mit weniger Pixel kosten weniger Geldeinheiten mag vielleicht am Smartphone Sektor funktionieren, aber der im App Store begonnene Trend setzt sich mittlerweile auch am PC Sektor fort. Steam hat sich als der digitale Distributionskanal schlechthin etabliert und de facto setzen alle Publisher auf die Plattform. Sind früher oftmals Monate oder sogar Jahre bis zur Budgetversion vergangen, so sind es mittlerweile nur noch Wochen. Verstärkt wird dies zusätzlich durch Rabattaktionen, deren Häufigkeit sowie Umfang stetig zunimmt und mittlerweile schon die Ausmaße eines Rausverkaufs annimmt, obwohl es sich um nicht limitierte digitale Güter handelt. Während der Feiertage liegt der durchschnittliche Rabatt bei 50% auf den gesamten Katalog und kurzfristige Rabatte von 75% sind die Regel. Erschreckend ist, dass hier viele Titel unter Wert verkauft werden und so zum Beispiel ein Battlefield Bad Company 2 für 13,60 Euro den Besitzer wechselt oder das erst kürzlich erschienen Super Meat Boy mit 3,50 Euro sogar den imaginären Gegenwert für eine Stunde Unterhaltung unterbietet.
Der beabsichtige Verkauf an die Masse funktioniert und in meiner Freundesliste ist es derzeit normal, dass man sieben oder acht Spiele täglich kauft, da durch den geringen Preis der Kauf zum No-brainer wird. Genau die Spielefirmen, die ihre Kunden die letzten Jahre darauf trainiert haben, dass 60 Euro ein angemessener Preis ist, sind nun auf den Zug nach Billighausen aufgesprungen und erwarten sich durch die Massenverkäufe höhere Gewinne. Aufgrund der fehlenden Verpackung, des fehlenden Datenträgers, dem Wegfall des Gebrauchtmarktes, fehlenden Zwischenhändlern und den geringen Kosten für die Distribution mag dies vielleicht rechnerisch funktionieren, aber die Frage ist wie lange und auf welche Kosten.
Da gibt es Spieler, die ein Spiel am Tag der Veröffentlichung kaufen und dafür den vollen Preis bezahlen und innerhalb von wenigen Wochen mit einem massiven Preisverfall bestraft werden. Ein warnendes Beispiel ist zum Beispiel Battlefield Bad Company 2 für das iPhone, welches im App Store innerhalb von sieben Tagen einen Preisverfall von 5,49 Euro auf 0,79 Euro durchlaufen hat. Früher Monate, dann Wochen und jetzt sind es Tage und je kürzer die Zeitspanne ist, desto höher der Frustfaktor für Releasekäufer und ein solch betrogener Kunde wird in Zukunft sicherlich nicht mehr den vollen Preis zahlen. Genau diese verärgerten Spieler sind es aber, die für die Branche einen ungemeinen Wert ausmachen, da derzeit mit diesen Kunden der Großteil der Entwicklungskosten abgedeckt wird. Am iPhone sind diese zwar gering und der Verkauf an die Masse ist kostendeckend, aber bei teuren Produktionen für den PC scheint dies immer unrealistischer.
Kunden die einmal über den Tisch gezogen wurden, werden in Zukunft immer häufiger die kostengünstigere Version abwarten, wodurch immer weniger Spieler den vollen Preis zahlen. Durch geringere Verkäufe in dieser wichtigen Phase findet der Rausverkauf immer früher statt und pro fehlenden Vollpreiskäufer müssen durchschnittlich drei bis vier reduzierte Versionen über den digitalen Ladentisch gehen. In den letzten Jahren sind die Entwicklungskosten deutlich gestiegen und auch die Anzahl der Spieler legte glücklicherweise ein ähnliches Wachstum hin, wodurch die Rechnung irgendwie aufgegangen ist. Irgendwann ist aber der Markt gesättigt an Spielern sowie Spielen und die Zahl der potentiellen Kunden wird stagnieren und was heute noch knapp positiv ist, ist morgen vielleicht schon leicht defizitär.
Der Wert von Videospielen sinkt derzeit gefährlich schnell und es wird künftig für die Hersteller schwer eine angemessene Wertschöpfung zu schaffen. Ich habe nichts gegen günstige Spiele, aber ohne gefüllte Kassen sinkt die Freude am Experiment und der mittlerweile bereits vorhandene Trend zur Serienproduktion wird in Zukunft wohl leider noch stärker werden als bisher. Früher waren es illegalen Versionen, die laut Herstellern der Industrie geschadet haben und nun schadet sich die Industrie selbst und merkt es nicht einmal.