Forza Horizon

Die Sonne schiebt sich hinter die bemerkenswerten Red Rocks von Colorado während der namenlose Spieler lässig am Rande einer Klippe neben der gelben Dodge Viper steht. Schnitt zu einem Fahrer, der sich auf eine Wiese setzt. Es folgt ein Fotospot an einem Wasserfall, ein roter Ferrari unter herbstlichen Bäumen und mehrere Gruppen junger Fahrer und Fans in den unterschiedlichsten Regionen von Colorado, wo dieses Jahr das imaginäre Forza Horizon Festival seine Zelte aufschlägt.

Bereits bei etwas so Einfachem wie dem Startbildschirm beginnt Forza Horizon seine Perfektion im Bereich der Präsentation zu demonstrieren. Bezaubernde Landschaften, glückliche Menschen, schöne Autos und der dazu passend passiv wahrgenommene und perfekt abgestimmte Soundtrack erzeugen bereits jetzt eine positive Dynamik.

Mit dem ersten Spielstart folgt ein schnell geschnittenes Realintro, welches versucht die Atmosphäre des digitalen Festival einzufangen. Langgezogene Straßen queren die menschenleere Wüste, glücklich tanzende Menschenmassen, DJs an Turntables, glänzende Traumautos, leicht bekleidete Frauen, ein Feuerwerk und aufwändige Lichtshows blitzen über den Flachbildschirm. Aber bis zum Festival dauert es noch, denn vorab gilt es überhaupt das Festivalgelände zu erreichen und sich danach im Laufe des Spiels, wie konnte es nur anders sein, als bester Fahrer überhaupt zu beweisen.

Die erste halbe Stunde führt den Spieler auf eine Achterbahnfahrt, welche die bereits zuvor beeindruckende Inszenierung auf einen fast schon perfiden Höhepunkt treibt. Die anfangs erwähnte gelbe Dodge Viper dient neben dem Erlernen der Steuerung auch um zu Beginn das spätere Spielgefühl zu demonstrieren, denn wie so oft in Videospielen startet man ganz unten. Die Dodge Viper braust bereits nach wenigen Spielminuten an einer Raststation vorbei, an der sich das digitale Ebenbild des Spielers inklusive eines roten VW Corrado VR6 befindet.

Was folgt ist ein offenes Rennen zum Festivalgelände, um sich einen der letzten zehn Plätze für das diesjährige Festival zu sichern. Knapp aber doch erreicht man den letzten der begehrten Slots und lernt in einer animierten Zwischensequenz die hübsche Rennleitungen kennen, die einem fortan via Knopf im Ohr mit neuen Fahraktivitäten rund um das Motorsport-Spektakel versorgt. Weiter geht es mit einem kurzen Qualifikationsrennen, einem Schaurennen gegen ein Flugzeug und der Rückfahrt zum Festivalgelände, während die Dämmerung eintritt, passenderweise ein Feuerwerks am Horizont erscheint und zum ersten Mal seit 20 Minuten etwas ruhigere Klänge aus dem Autoradio ertönen. Es folgt der erste Autokauf, das Kennenlernen der Geschwindigkeitsmessung, die Erklärung der in der Welt verstreuten Rabattschildern, die Nutzung der GPS Funktion, der Hinweis auf die asynchronen Mehrspielerkomponente und das erste Offroad Rennen im Rahmen des Horizon Festivals, welches gleichzeitig das Ende der geführten Einleitung bildet und auch den Start für sein eigenes persönliches Forza Horizon Festival darstellt.

Was folgt ist das, was man von einem Arcade-Rennspiel erwartet und wenn man die äußerst hübsche Verpackung und Inszenierung entfernt, dann reduziert sich das spielerische Grundgerüst auf drei Renntypen gepaart mit einem enorm umfangreichen und gefühlt spielerisch realistischem Fuhrpark. Es gilt unzählige Rundenrennen, Streckenrennen sowie Zeitrennen (in Form von Showrennen und indirekt als Duellrennen) zu absolvieren. Mal auf Asphalt, mal auf losem Untergrund, mit und ohne Verkehr, zu unterschiedlichen Uhrzeiten und natürlich mit den unterschiedlichsten Autos in allen möglichen Klassen. Die einzelnen Rennen sind in der Spielwelt anzufahren und auf dem Weg zu den Startpunkten erledigt man diverse Nebentätigkeiten wie das Zerschmettern von in der Spielwelt verteilten Reklameschildern oder dem Aufstellen neuer Geschwindigkeitsrekorde bei fixen Messpunkten sowie in definierten Streckenabschnitten. Via Xbox LIVE wird jede gefahrene Zeit und jede erreichte Geschwindigkeit automatisch mit der Leistung der eigenen Freundesliste verglichen und daraus dynamisch neue Herausforderungen für einen selbst und natürlich auch für seine Freunde generiert.

Nichts davon ist neu, nichts davon ist revolutionär und trotzdem macht mir Forza Horizon deutlich mehr Spaß als andere Vertreter im Genre der Arcade-Rennspiele. Die zuvor aufs ausführlichste beschriebene und außergewöhnlich gut in Szene gesetzte Spielerfahrung in der ersten halbe Stunde lässt zwar im späteren Verlauf nach, bleibt aber auch nach über zehn Stunden auf einem sehr hohem Niveau. Dies ist neben der technisch einwandfreien Umsetzung (kein Ruckeln, hübsche Umgebung bei enormer Weitsicht, spektakulärer Tag und Nacht Wechsel) primär dem perfekt abgestimmten Soundtrack in Form von drei Radiosendern zuzuschreiben. Für jedes Rennen wurde auch ein Track vordefiniert, der die optische und spielerische Komponente akustisch (fast immer) perfekt unterstützt und so während der gesamten Spielzeit die zuvor erwähnte positive Dynamik in der Bauchregion des Spielers fördert. Zusätzlich bestärkt die Auswahl aller Tracks das Festivalsetting und verleiht der für ein Rennspiel gewohnt irrelevanten und äußerst dünnen Handlung eine fast schon realistische Komponente.

So außergewöhnlich die Inszenierung auch ist, so perfide perfekt wurde leider auch das Modell der zusätzlichen Finanzierung über Mikrotransaktionen eingebettet. Die bereits aus Forza Motorsport 4 bekannten Gutscheine zum Kauf von zusätzlichen Autos finden auch in Forza Horizon ihren Platz. Anstatt mit den im Spiel verdienten Credits zahlt man alternativ je nach Auto mit einem bis drei virtuellen Gutscheinen, die das physische Konto parallel mit einem bis drei Euro belasten. Die Orte der 100 verstreuten Reklameschilder und der neun versteckten Autos können gegen fünf Euro auf der Karte markiert werden und sechs in den nächsten Monaten erscheinende Autopakete runden das Finanzierungsmodell ab. Günstiger wird es mit dem mittlerweile quasi obligatorischen Season Pass um 48 Euro, jedoch bleibt ein fahler Beigeschmack in Anbetracht dass es sich bei Forza Horizon um einen Vollpreistitel handelt. Im Gegensatz zu anderen Spielen ist jedoch positiv zu erwähnen, dass die Inhalte wirklich optional sind und die Spielerfahrung ohne digitalen Zusatzkauf keineswegs schlecht ist und man sich auch nicht beschnitten fühlt.

Forza Horizon nimmt viele positiven Element der simulationslastigen Forza Motorsport Serie, reichert das Grundgerüst um das Setting eines fiktiven Motorsportfestivals an und bedient sich zusätzlich ungeniert und offensichtlich bei etlichen Vertretern des Genres der letzten Jahre. Was dabei rauskommt ist ein massenkompatibles Rennspiel, welches wenig neu macht, jedoch bereits etablierte Komponenten spielerisch gut kombiniert, technisch perfekt umgesetzt ist und im Bereich der Präsentation mit einem bemerkenswerten Soundtrack die Messlatte für zukünftige Arcade-Rennspiele massiv anhebt.

Gespielt wurde eine von Microsoft Österreich zur Verfügung gestellte Version. Forza Horizon ist seit Ende Oktober exklusiv für die Xbox 360 erhältlich und wechselt je nach Edition für 60 bis 80 Euro den Besitzer (Amazon*).