Polycrusher

Es ist erschreckend wie schnell man in Muster verfällt, in die man nicht verfallen sollte und eigentlich auch nie verfallen wollte. Es geht um Betriebsblindheit und das Denken in Schubladen aufgrund der persönlichen Erfahrungen in der Vergangenheit. Zum einen gefährlich, da Betriebsblindheit jeglichen Fortschritt blockiert. Zum andern auch unfair, da das Einordnen in Schubladen nur die freundliche Umschreibung für Vorurteile ist und Vorurteile in Bezug auf Videospiele nie fair sein können. Worauf ich raus möchte? Die Geschichte hinter Polycrusher, meine Vorurteile und einen Playtest der mich eines Besseren belehrte.

POLYCRUSHER - Logo

Das Videospiel Polycrusher entstand im Rahmen einer Projektarbeit mehrerer Studenten der Fachhochschule Hagenberg in Oberösterreich und wurde über einen Zeitraum von zwei Semester entwickelt. Diese Kurzbeschreibung des Werdegangs führt bei mir irgendwie immer zu Vorurteilen, denn so spannend die Entwicklung für die Beteiligten im Rahmen der Ausbildung auch war, so schwierig ist der Umgang mit dem Resultat danach. In einer Videospielwelt geprägt von Profit, Optimierung und einem Überangebot, erfolgt die Beurteilung von Videospielen zu oft auf Basis eines Vergleichs mit Titeln ähnlicher Entwicklungsgeschichte, Spielmechanik oder optischen Eindrücken unter künstlich geschaffenen Zeitdruck. Aufgrund meiner bisherigen Erfahrung mit Videospielen und studentischen Projekten bedeutet dies, dass das Resultat für die schulische Bewertung funktionsfähig ist, aber eigentlich nie den erforderlichen Grad an Optimierung erhalten hat um außerhalb des schulischen Umfelds auch nur annähernd eine Chance zu haben. Die Begründung dafür ist auch relativ einfach, da Optimierung gleichbedeutend mit massiven Arbeitsaufwand ist, welcher nie in richtiger Relation bei der Beurteilung im Rahmen einer Projektarbeit bewertet wird. Viele nehmen sich diesen Aufwand nach dem Ende der Projektarbeit vor und genau bei diesem Vornehmen bleibt es dann auch.

Polycrusher ist ein Twin-Stick-Shooter, welcher im lokalen Mehrspielermodus mit bis zu vier Spieler gespielt wird. Gemeinsam schießt man sich durch Wellen an Gegnern und versucht dabei zu überleben, die Spielfiguren durch Power-ups zu stärken, das Chaos am Bildschirm zu verarbeiten und gegen ein schlecht gelauntes Huhn als Bossgegner anzutreten. Das große Ziel? Länger zu überleben, mehr Feinde zu eliminieren und dabei einen neuen Highscore aufzustellen. Die Liste an Features fällt typisch aus: X individuelle Spielfiguren, Y unterschiedliche Level, ein Modus für erfahrene Spieler, ein eigener Soundtrack, Online-Ranglisten, Steuerung mittels Xbox Controller oder App am Smartphone und natürlich viele Explosionen.

So weit, so unspannend. So weit, so vorhersehbar. Erst Recht, wenn man als Leser im zweiten Absatz dieses Beitrags Polycrusher unbewusst in eine Schublade einsortiert hat. Soviel zu meinen Vorurteilen, blöd nur, dass Polycrusher weder in diese noch in eine andere meiner Schubladen passt. Was mich zu dieser Erkenntnis gebracht hat? Mehrere Spielsitzungen im Rahmen eines Playtests. Mein Fazit? Polycrusher funktioniert nicht nur für die Beteiligten aufgrund der Geschichte dahinter, sondern als Videospiel ohne Bezug zur Entstehungsgeschichte. Bei Polycrusher handelt es sich nicht um eine spielbare Prototype aus einem Studentenprojekt, sondern um ein erstaunlich optimiertes Videospiel, welches aus bekannten Komponenten etwas Neues macht und dieses Neue auch aus der Perspektive des Spielers funktioniert.

Natürlich funktioniert Polycrusher nicht ausschließlich wegen der Optimierung, aber es ist schwierig zu erklären aufgrund welcher Komponenten der Titel tatsächlich funktioniert. Am ehesten ist es die Kombination aus der entstehenden Eigendynamik in der Spielergruppe vor einem Bildschirm und der Spielmechanik die zwar fordernd ist, aber nicht für das eigene Scheitern verantwortlich ist. Bedeutet in Bezug auf die Spielmechanik, dass wenn man im Videospiel stirbt, erkennt man immer den eigenen Fehler warum man gestorben ist. Die Komponente der Eigendynamik spielt hier zusätzlich mit, denn während der eher hektischen Spielsitzung, ist man sowohl individuell als auch in der Gruppe permanent mit Entscheidungen konfrontiert. Bewegt man sich gemeinsam als Verbund oder bespielt jeder als Einzelkämpfer einen Teil des Bildschirms? Im Verbund heilt man sich gegenseitig und füllt gleichzeitig die Anzeige für die Spezialfähigkeiten einer jeden Spielfigur, als Einzelkämpfer stehen die Chance zwar höher nicht von den Gegnerwellen überrollt zu werden, jedoch ohne Möglichkeit auf Heilung oder Spezialfähigkeiten. Jeder Wechsel zwischen den beiden Status ist mit einem Risiko verbunden, aber eigentlich laufend erforderlich. Die Spielfiguren sind mit virtuellen Linien verbunden und sobald die Spezialfähigkeit aller Spieler gefüllt ist, gilt es die Spielfiguren möglichst effektiv über den Bildschirm zu verteilen um alle Gegner in der abgedeckten Fläche auf einen Schlag zu eliminieren. Um diesen starken Angriff wiederholt durchführen zu können, gilt es erneut die Spezialfähigkeit der Spieler zu füllen und dies ist wieder nur im gemeinsamen Verbund und als Einheit möglich. Es ist ein ewiges hin und her zwischen den beiden Spielstrategien, deren Wechsel es zeitlich optimal abzustimmen gilt. Aber es bleibt nicht dabei, denn obwohl die Spielmechanik und das Spielprinzip anfangs eher simpel wirken, erkannt man erst nach ein paar Spielrunden die vorhandene Tiefe. Eher vor Feinden weglaufen und Power-ups sammeln oder mit noch schwachen Spielfiguren rasch die einzelnen Wellen an Gegner absolvieren? Rücken an Rücken als Gruppe im Verbund oder als Team-Einzelkämpfer durchschlagen? Wann zwischen den unterschiedlichen Strategien wechseln und welche Kombination der Spielcharaktere bietet mit den unterschiedlichen Angriffsarten die beste Mischung um möglichst lange zu überleben?

Entscheidungen die das einfach wirkende Polycrusher spannender machen als man es zu Beginn vermutet. Weder Screenshots, Videos noch Texte werden dem Videospiel gerecht. Bei mir hat es erst Klick gemacht, als wir zu viert vor einem Bildschirm gesessen sind, Horden von Gegner überlebt haben und bei jedem erneuten Anlauf unsere Strategie ein kleines bisschen optimiert haben. Ich habe Polycrusher zu Unrecht als ein Studentenprojekt eingestuft. Polycrusher ist kein Studentenprojekt, Polycrusher ist ein Videospiel, eines welches mich überrascht hat, äußerst positiv überrascht hat.

Polycrusher wurde als Projektarbeit im Rahmen der Ausbildung auf der Fachhochschule Hagenberg in Oberösterreich entwickelt. Momentan findet die Transformation von einer Projektgruppe in Richtung des Indie-Entwicklungsstudios Atomic Pond Studios statt. Polycrusher ist noch nicht erhältlich, jedoch kann und sollte man auf Steam Greenlight für den PC Titel aus Oberösterreich abstimmen. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage, Facebook und Twitter. Bewegte Bilder zum Spiel findet man im Trailer sowie Video zum Playtest.

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