The Cave

Wahnsinn warum schickst du mich in die Höhle, eiskalt lässt du meine Seele erfrier’n. Das ist Wahnsinn du spielst mit meinen Gefühlen und mein Stolz liegt längst schon auf dem Müll, doch noch weiß ich was ich will – ich will dich.

Was haben der minimal abgeänderte Refrain eines deutschen Schlagerlieds und das Spiel des US-amerikanischen Entwicklers Ron Gilbert gemeinsam? Affen? Eine Insel? Sprichtwortduelle? Nichts davon und trotzdem fasst der erste Absatz des Textes den Download-Titel gut zusammen, aber soweit sind wir nicht nicht. Wir stehen noch am Anfang einer Geschichte oder wie die Höhle sagen würde: Welcome to … The Cave!

Tatsächlich begrüßt einen die Höhle und abgesehen von ein paar Nicht-Spieler-Charakteren verkörpert diese fast alles im Spiel. Die Spielwelt, ungefähr die Hälfte der Geschichte sowie die umfangreiche Sprechrolle als sarkastischer Erzähler gehören zu ihrem Aufgabengebiet. Inhaltlich vervollständigt wird das im Adventure Genre anzusiedelnde Spiel durch die vom Spieler auszuwählenden drei der sieben zur Verfügung stehenden Charaktere. Trotz der Ankündigungen, dass es sich um eine klassisches Adventure handelt, ist man mehr als positiv überrascht, dass es tatsächlich ein solches geworden ist. Entgegen jeglicher Trends der Industrie ist der Spielablauf nicht zu Tode optimiert und besticht durch das (fast) vollständige Fehlen jeglicher für die heutige Zeit üblichen Hilfsmittel. Kein glitzernder Krümelpfad als Navigationshilfe, keine glänzenden manipulierbaren Objekte, keine nach kurzer Zeit erscheinenden Hinweise wie es weitergeht, keine Übersichtskarte und nur wenige Anhaltspunkte was als nächstes folgen könnte. Einzig die Höhle hilft in Form des allwissenden Erzählers in seltenen Fällen weiter. Die Hinweise sind aber mit Vorsicht zu genießen, da diese nur so von Sarkasmus und dem von Gilbert bekannten trockenen Humor strotzen.

Sieben verschiedene Typen, sieben unterschiedliche Spezialeigenschaften, sieben unabhängige Geschichten und obwohl die Spielfiguren unterschiedlicher nicht sein könnten, teilen alle ein Schicksal. Ein Schicksal, welches Sie auch mit dem Spieler teilen, denn jeder trägt seinen persönlichen Rucksack in Form dunkler Geheimnisses mit sich herum. Auf dem Weg in die Tiefen der Höhle lässt diese den Spieler die entscheidenden Momente jeder Spielfigur Revue passieren und bringt dadurch gleichzeitig den Spieler in dieselbe missliche Lage. Im Gegensatz zu anderen Spielen wird jedoch die zugrunde liegende Motivation nicht mittels Holzhammer kommuniziert, sondern wird geschichtlich nur umrahmt.

Genau hier passiert etwas merkwürdiges, was nur die wenigsten Spiele schaffen. Anstatt den Spieler nach einem Abschnitt blind und emotionslos weiterspielen zu lassen, schafft es die Höhle eine nebenläufige Ankündigung der ersten Spielminute wahr zu machen, den neben dem Geheimnis der jeweiligen Spielfigur, entdeckt man zwangsläufig Parallelen zu sich selbst und zu seinem eigenen inneren Rucksack. Die einzelnen Spielfiguren sind überzeichnet, die Art der Erzählung fast schon eine Parodie, aber die Motivation für das Handeln basiert immer auf der charakterlichen Prägung der Spielfigur. Und es sind genau die Charaktereigenschaften verwendet worden, die uns zu dem machen was wir sind, wie wir handeln und als was wir wahrgenommen werden. Je stärker die Ausprägung der Eigenschaft ist, desto negativer wird diese gesellschaftlich angesehen. Obwohl in kleinen Dosen gesellschaftlich durchwegs akzeptiert, bestimmen die Laster Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit unbewusst unser Leben und auch das Leben der sieben Spielfiguren.

Keine Sorge, die Höhle ist keine neuartige Form eines Persönlichkeitstests und beurteilt zumeist auch nicht das Handeln des Spielers. Die Höhle verpackt die sieben Laster des Menschen in einem spielerisch sehr gutem, durchwegs logischen, sarkastisch witzigen und äußerst unterhaltsamen klassischen Adventure, welches gleichzeitig zum Nachdenken anregen kann, soll und wird. Auch wenn es oberflächlich nur um sieben Schicksale einzelner Charaktere geht, ist die Höhle ebenso ein indirekter Ausflug in die Tiefen der eigenen Seele.

Hinweis: Um die Geschichte einer jeden Spielfigur zu erleben, sind mindestens drei Spieldurchgänge erforderlich. Dabei bleibt etwa die Hälfte der Höhle gleich und vier der sieben Abschnitte wiederholen sich samt der Rätsel. Ein paar Tage Abstand zwischen den einzelnen Spieldurchgängen ist daher durchaus empfehlenswert.

Gespielt wurde eine von Sega zur Verfügung gestellte Version auf der Xbox 360. The Cave aus dem Hause Double Fine ist seit 22. Jänner als Downloadtitel für Steam, Playstation 3, Wii U und die Xbox 360 für etwa 15 Euro erhältlich.

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