Being A Gamer!

Fragt man gerade schulpflichtig gewordene Kinder nach ihren Berufswünschen lauten die Antworten meist Feuerwehrmann, Polizist oder frühere auch Astronaut. Mit zunehmenden Alter ändern sich die Vorstellung im Regelfall mehrmals und durch den zunehmenden Einfluss moderner Unterhaltungsmedien kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem die berufliche Laufbahn am besten in dieser Branche ablaufen soll. Einer der wohl bevorzugten Zweige ist jener der Videospiele und spätestens nach dem ersten selbst gekauften Videospielmagazin spielt man mit dem Gedanken als Videospielredakteur sein Hobby zu Geld zu machen. Spiele aus erster Hand sehen, luxuriöse Pressereise quer durch die Welt und den ganzen Tag gegen Bezahlung mit Videospielen zu verbringen sind gleichzusetzen mit einem Ausflug in die Schokoladenfabrik von Willy Wonka und bilden das Grundgerüst eines Wunschtraumes vieler pubertierender Jugendlicher. Spricht man jedoch mit Menschen der schreibenden Zunft über ihren beruflichen Alltag beginnt das erschaffene Hirngespinst des Traumberufs zu zerfallen und übrig bleibt oft ein komplett konträres Bild. Willkommen in der Videospielindustrie, einer Industrie, die ihr Geld mit Illusionen auf und hinter dem Flachbildschirm verdient.

Gut, das Thema mit dem Videospielredakteur ist (vorerst) durch, aber die bunte Welt der animierten Pixel hat noch viele weitere Betätigungsfelder zu bieten, die ebenso erstrebenswert scheinen. Da wären die Mitarbeiter auf Messen, die den ganzen Tag Zugang zu Spieleneuheiten haben. Die Position der aktuellen Hipster der Branche in Form des Community Managers oder von Community Representatives ist ebenso begehrt wie ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis im Marketingumfeld von Electronic Arts, Ubisoft, Sega und Konsorten. Zu guter Letzt schwirrt noch das Bild des internen Spieletesters in manchen Köpfen herum, der sein Geld mit dem Entdecken von Fehler in nicht fertiggestellten Produkte verdient. Auch wenn es sich hierbei nur um eine kleine (nicht repräsentative) Auswahl an Berufsbildern der Videospielindustrie handelt, so handelt es sich doch um die am ehesten wahrgenommenen Positionen und deren Erreichen im Rahmen des Möglichen liegt. Aber welcher ist nun der beste Job der Branche?

Der des Messemitarbeiters definitiv nicht. Egal welche Tätigkeit man auch ausübt, aber weder Promotor, Fotohostess, technischer Mitarbeiter oder Projektleiter sind angenehm. Als Promotor hat man zwar direkten Zugang zu den neusten Spielen, jedoch nicht die Qual der Wahl. So kann es passieren, dass man seine Zeit anstatt mit „Call of Battlefield“ bei ryhtmischen Tanzspielen oder der neusten Version des „Autobahnraststättensimulator 2013“ vebringt und die folgenden Tage versucht das WC Management neben der Autobahn zu optimieren. So unterhaltsam dunkle, laute und große Messehallen für Besucher auch sein können, so schmerzhaft ist es für Mitmenschen, die an einen fixen Platz verweilen müssen. Im ungünstigsten Fall befindet sich besagter Platz auch noch in Bühnennähe und spätestens nach zwei Tagen träumt man von Krach-Bumm-Videos, dem wiederholenden Bühnenprogramm und fängt beim Einsetzen bestimmter Lieder automatisch an im Takt mitzuwippen. Die Thematik bezüglich Fotohostess stellt sich vermutlich für die wenigsten, da es oft am Geschlecht und oder der optischen Komponente scheitert und um ehrlich zu sein, handelt es sich hierbei um keinen wirklichen Job in der Videospielbranche (was den Mädels aber bewusst und grundsätzlich egal ist). Die Mitarbeit im technischen Bereich hat auch nicht direkt mit der Branche zu tun und ist zwar unterhaltsam, aber bringt auf Dauer die gleichen negativen Effekte, die auch das Dasein des Promotors oder der Fotohostess mit sich bringen. Der einzige Vorteil ist, dass man sich einigermaßen vor nervigen Besucher abkapseln kann und die paar Messetage in seiner eigene kleine Blase verbringen kann. Der undankbarste Job ist jedoch der des Projektleiters, auch wenn man es nur für einen kleinen Teilbereich sein sollte. Man erhält zwar Zugang zu allen Bereichen und hat grundlegend nicht wirklich viel im laufenden Betrieb zu tun, außer es läuft etwas schief. Im Regelfall läuft aus Prinzip alles schief und man mutiert schnell zur Mutter für alles und für jeden. Das Catering hat keine Getränke mehr? Ein Segment der Bühnenshow fällt kurzfristig aus? Jemand braucht mehr Karten für die After-Show-Party? Du hast deinen Ausstellerausweis verloren? Es werden noch eine mobile Bühne, ein HD Beamer, zwei 46 Zoll Fernseher, ein komplettes Set an Plastikeingabegeräten die Musikindustrumente darstellen, eine Debugkonsole, eine Nebelmaschine, Groupies und jemanden der für die Verkabelung und für den Aufbau sorgt in den nächsten beiden Stunden benötigt? Fuck off! Bin ich deine Mutter und warum liest du keine der gefühlten 859 Mails im Vorfeld? Dort hätte man solche Sachen ganz einfach abklären können.

Die Hipster der Branche in Form der Community Manager sind auf den ersten Blick jobtechnisch deutlich attraktiver, da man direkten Zugang zum Entwicklungsteam hat, den lieben ganzen Tag in sozialen Netzwerken unterwegs ist und stetig in Dialog mit Fans steht. Grundlegend richtig und die Tätigkeit macht auch durchwegs Spaß. Der direkte Kontakt zur Zielgruppe ist angenehm, man hat bis zu einem gewissen Grad direkten Einfluss auf das Endprodukt, muss aber irgendwann damit klar kommen, dass die Möglichkeiten dann doch irgendwie beschränkt sind. Im Grunde ist der Job ähnlich dem des PR Menschen, nur anstatt mit Journalisten hat man es mit einer viel anstrengenderen Zielgruppe zu tun, dem Internet. Man selbst ist das personifizierte Produkt und damit auch grundlegend für jeden Fan und Feind im Internet der Ansprechpartner schlechthin. Zum anscheinenden Verantwortungsgebiet laut Internet zählen unter anderem Fehler im Spiel, das Sperren von Schummler im Mehrspielermodus, Designentscheidungen die Einzelnen nicht gefallen, nicht integrierte Funktionen obwohl sich besagte Funktion mindestens drei Spieler im Vorfeld gewünscht haben und eigentlich sowieso alles. Auch wenn die Tätigkeit ungemein erfüllend sein kann, sollte man sich einen stabilen Schildkrötenpanzer zulegen, an dem vieles abprallen kann. PR Menschen geht es ähnlich, mit der Ausnahme, dass diese gerne Pressereisen absolvieren und anstelle von Fans ihre Zeit primär mit den Kollegen der schreibenden Zunft verbringen. Auch wenn Internetshitstorms für Community Manager mehr als unangenehm sind, manche Mitarbeiter von PR Abteilungen erzählen in seltenen ruhigen Momenten grausame Gruselgeschichten von einzelnen Journalisten, die schlimmer als jede Masse an anonymen Internetkiddies sind.

Was nun noch übrig bleibt ist wohl Job des internen Testers, der lange vor allen anderen die Entwicklungen des eigenen Hauses zu Gesicht bekommt. Stundenlanges Spielen und ein paar Berichte über Fehler abliefern sind die Idealvorstellung, die aber von zwei massiven Minuspunkten beeinträchtigt wird. Dies ist zum einen die bereits vorher aufgetauchte nicht vorhandene Entscheidungsfreiheit über den zu testenden Titel und dessen Abnutzung. Auch Spiele wie „Bibis fröhliche Abenteuer auf dem Ponyhof“ erfordern eine gründliche Qualitätsprüfung und gründlich bedeutet ausgiebig. Man spielt, man spielt viel, man spielt oft und man spielt sehr oft immer und immer wieder die gleichen Abschnitte. Gleichzeitig läuft man Gefahr, dass man aufgrund seiner unglaublich umfangreichen Erfahrung mit „Bibis fröhlichen Abenteuern auf dem Ponyhof“ auf Messen mitgenommen wird und dort den spannenden Job des Vorführspielers ausüben darf. Dabei wird man in schlecht klimatisierte Miniräume gesteckt und spielt analog seiner täglichen Aufgaben immer und immer wieder die gleichen Spielabschnitte, während im Regelfall jemand anderer darüber Marketingblablabla erzählt. Das ist eine gewisse Zeit unterhaltsam und auch eine angenehme Abwechslung, aber spätestens wenn man den demonstrierten Abschnitt mit verbundenen Augen und nach sieben Bier fehlerfrei absolvieren kann ist es zuviel des Guten.

Aber was ist nun der beste Job im Bereich der Videospiele? Alle Aktivitäten auf Messen sind unangenehm, Videospielredakteure klagen mittlerweile quasi öffentlich im Internet ihr Leid über Pressereisen, Embargos und den täglichen Stress, Community Manager und PR Leute kämpfen oft an stark verhärteten Fronten und die interne Qualitätskontrolle kann auf Dauer die Lust auf Videospiele verderben. Gleichzeitig nutzt sich in allen Betätigungsfeldern alles nach einer gewissen Zeit ab und man verliert den Blick für das gewisse Etwas, das Videospiele ausmacht. Das achte Jahr in Folge in stickigen Messehallen herumirren und sich von allen Seiten lautstark beschallen lassen? Langweilig! Der zehnte Überseeflug zu einem dreitätigen Presseevent in den USA? Zeitraubend! Die hunderste Diskussion warum „Call of Battlefield“ keine fliegenden Ponys hat die mit Regenbogenkotze den Gegner angreifen? Nervend! Immer wieder der gleiche nervige Journalist, der über die gute alte Zeit philosphiert und bereits das drölfte Mal mit seinem „Puckman“ Highscore angibt? Sighhhh!

Die beste, wenn auch unbezahlte Tätigkeit, ist die des Spielers. Die Faszination, die einen beim ersten Kontakt mit dem Medium ergreift, sollte man sich bewahren. Sobald man beruflich in die Branche eintaucht, verliert man einen Teil dieser Faszination und das Geheimnisvolle verschwindet langsam aber sicher. Je mehr man mit der Thematik zu tun hat und je mehr Einblicke sich hinter die Kulissen der Traumfabrik ergeben, desto mehr geht von besagter Faszination verloren. Man stumpft ab, vieles wird selbstverständlich, es fehlen irgendwann die Überraschungen und die persönliche Wertschätzung gegenüber dem Medium schrumpft stetig. Die beste Tätigkeit der Branche ist die des Konsumenten, die des Gamers.

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