Driver San Francisco

Vor meiner Konsolenzeit war ich spieletechnisch am PC unterwegs und eines der Spiele die mich gefesselt, aber gleichzeitig auch in den Wahnsinn getrieben haben, war Driver. Driver stand für knallharte Fahrsequenzen die unter Zeitruck in Autos, die auch als schwimmende Schiffe auf der Straße durchgehen würde, absolviert werden mussten. Die Zeitlimits waren mehr als nur knapp, die Polizei hatte es beim geringsten Delikt auf einen abgesehen und die Autos der 70er waren auch alles andere als robust. Zusammen mit dem zufälligen Straßenverkehr und der stark limitierten Speicheroption (die das Sichern während der mehrteiligen Missionen nicht gestattete) war Frust garantiert und doch war das gewisse Etwas vorhanden gescheiterte Missionen immer und immer wieder zu versuchen. Fast zwölf Jahre und drei Publisher später wagt sich Ubisoft mit dem gleichen Entwickler an das Franchise und rebootet den schlechten Reboot (Driver: Parallel Lines) des noch schlechteren Reboots (Driv3r) des Nachfolgers (Driver 2: Back on the Streets) des Urspiels (Driver).

Eine eher unangenehme Ausgangssituation und als Fan des Urspiels war ich nach der ersten Präsentation auf der gamescom 2010 nicht wirklich überzeugt und schon absolut nicht begeistert. Zwar ging es nach dem gescheiterten Open-World-Experiment und dem erfolglosen Versuch GTA zu kopieren wieder zurück zu den Wurzeln, aber das Shift / Hot-Swap Feature (man kann fast jederzeit beliebig von Auto zu Auto springen) sorgte für ein unangenehmes Bauchgefühl, dass sich zu einem Magengeschwür entwickeln hätte können. Nach etwas mehr als elf Stunden im virtuellen San Francisco der 70er haben sich meine Befürchtungen zum größten Teil nicht bestätigt und Driver San Francisco (SF) zeigt wie man den Wurzeln einer Serie gerecht werden kann und trotzdem auch Einsteigeren eine angenehme Spielerfahrung bieten kann.

Obwohl man als erfahrener Videospieler bereits abstruse Geschichten in digitaler Form erzählt bekommen hat, treibt es Driver SF auf die Spitze und verdient fast schon einen Preis dafür. Hier ein paar Schlagworte, die für sich sprechen sollten: Verbrecher bricht aus dem Gefängnis aus, fährt den Cop (und damit auch den Spieler) der ihn dorthin gebracht hat nieder, der liegt nun im Krankenhaus im Koma und hat eine krasse Nahtoderfahrung, seine Seele schwirrt fortan in der Stadt herum und kann in jedes Auto shiften und hilft den Einwohnern von SF und macht gleichzeitig Jagd auf den seinen Nemesis! Bei der Abstrusität ist davon auszugehen, dass das Shift Feature vor der Storyline vorhanden war und diese mehr so drumherum gebaut wurde, aber im Endeffekt ist die Geschichte rund um John Tanner mehr nettes Beiwerk und hat den Umfang eines eher acht Stunden Tutorials für die Fans des ersten Drivers beziehungsweise eines kompletten Spiels für Einsteiger ;-).

Die Spielmechanik orientiert sich am ersten Teil und meist gilt unter Zeitdruck von A nach B zu gelangen. Die möglichen Varianten halten sich aufgrund des Genres in Grenzen, sind aber gut durchgewürfelt. Es gibt Rennen mit oder ohne Polizei, mal ist die Strecke vorgegeben und dann wieder offen oder es stehen Sprünge sowie Drifts am Programm. Zusätzlich gibt es noch Verfeinerungsparameter wie zum Beispiel Pulsmissionen, bei denen man dem Mitfahrer durch lebensmüde Manöver Angst einjagen soll oder Actionmissionen in einem Bus / LKW, der eine gewisse Mindestgeschwindigkeit beibehalten muss um nicht zu explodieren. Im Prinzip nicht wirklich kreativ, aber genug Abwechslung um stetig gut unterhalten zu werden.

Bisher klingt es stark nach 0815-Standardkost, aber Driver SF hat das gewisse Etwas, welches zwar anders als beim ersten Teil ist, aber eine ähnliche Suchtwirkung entfaltet. Es geht dabei um das Metagame, welches sich über die gesamte Stadt ausbreitet und den Umfang weit über die normale Story erweitert. Mit der stetigen Vergrößerung des verfügbaren Stadtgebiets werden neben den Pflichtmissionen auch Unmengen von zusätzlichen freien Missionen und Mutproben freigeschaltet. Spieltechnisch sind diese sehr ähnlich zu den Storymissionen, aber unterscheiden sich im Schwierigkeitsgrad bald von diesen. Relativ rasch zieht dieser bei den optionalen Missionen drastisch an und ähnlich wie beim Urspiel ist es bald vorbei mir flotten Erfolgen am laufenden Band. Oft reicht es eine Kurve nicht richtig zu erwischen oder den Gegenverkehr zu touchieren um die Tastenkombination Start, vier mal runter und A zu betätigen, um die Mission von vorne zu beginnen. Klingt hart und ist es auch, aber es ist trotzdem motivierend. Durch den Kniff der Optionalität und Entkoppelung von anderen Rennen werden unerfahrene Driver (Wortspiel FTW!) nicht gefrustet und die Fans der Serie entsprechend gefordert. Ebenso sind Filmsymbole in der Stadt zu finden, durch die man nach und nach klassische (an Filme und Serien angelehnte) Fahrsequenzen freischaltet, bei denen das Fahrkönnen im Vordergrund steht, da man ohne Shift- oder Boostfunktionalität auskommen muss und auch nur klassische Autos der 70er besteigt.

Unerwartet intelligent stellt sich nach anfänglichen Berührungsängsten auch die zunächst verabscheute Shift Funktionalität heraus. Diese hat zwar eigentlich nichts in einem Rennspiel verloren (auch nicht in einem Arcade Raser), aber ist im Endeffekt die unterstützende Hilfe bevor Frustmomente auftreten (und der Shiftmodus dient gleichzeitig als Auswahlbildschirm für die Missionen). Zwar ist es in manchen Missionen zwingend erforderlich zu shiften, diese halten sich aber zum Glück in Grenzen und somit bleibt es dem Spieler überlassen wann, wie und ob er sein Auto wechseln möchte. Veteranen verzichten soweit wie möglich darauf, aber unerfahrene Spieler wird damit ein praktisches Hilfsmitteln in die Controllerhände gelegt. Wenn zum Beispiel ein Rennen nicht wie gewünscht verlauft shiftet man einfach in den Gegenverkehr nach vorne, um das fremde Auto in Richtung des Führenden zu manövrieren. Gleiches gilt für Verfolgungjagden mit hartnäckige Polizisten, denen man einfach mit einem Bus oder LKW vor die Motorhaube fährt und danach gemütlich seinen eigenen Wagen in Sicherheit bringt. Klingt unfair und hat auch wenig mit einem Rennspiel zu tun, ist aber wie bereits erwähnt großteils optional und realistisch betrachtet ein durchaus praktikabler Weg die Wahl des Schwierigkeitsgrades in die Hände des Spieler zu legen.

Die Story mag banal sein und die ersten Minuten am Steuer der fahrenden Schiffe sind mehr als nur ungewohnt und auch die Überlegung in Richtung massiver Bug in der Fahrphysik sind berechtigt (Tipp: viele der optionalen Rennen und Mutproben sind mit Autos aus dem Hause VW und Audi deutlich einfacher, da das Heck nicht so aggressiv ausbricht wie bei den amerikanischen Fabrikaten). Man gewöhnt sich aber daran und nach und nach entwickelt Driver SF eine gewisse Eigendynamik, die einen stetig antreibt weiter zu spielen (Stichwort: Nur noch diese eine Mission / dieses eine Rennen!). Die Mission sind abwechslungsreich genug und dank der mehr als umfangreichen optionalen Möglichkeiten kann man sich mit Leichtigkeit in den Straßen von San Francisco verlieren. Damit ist aber die positive Liste noch nicht abgeschlossen, denn neben der ansprechenden Präsentation mit knackigen Einzeilern und hübschen Zwischensequenzen (welche Erinnerungen an US Serien der 70er hervorrufen) bietet Driver SF noch eine mehr als gelungen Mehrspielermodus, der weit über den erwarteten Umfang hinausgeht. Nur ein paar Schlagworte dazu: Levelsystem, extrem viele unterhaltsame Modi, kurze Qualifikationsrennen statt langweiliger Lobbybildschirme, praktisch fast unendlich viele Rennstrecke, …

Das Spiel macht fast alles richtig, aber leider scheint es nicht die Aufmerksamkeit zu bekommen, die es eigentlich verdient. Driver SF ist ein äußerst gelungenes Spiel, das mit kurzweiligen Mission, fast unendlich vielen optionalen Missionen und einem gut durchdachten sowie ausgereiften Mehrspielermodus Freunde von Rennspielen aller Gruppen anspricht und definitiv einer der besten Arcade Raser der aktuellen Konsolengeneration ist. Die Gefahr der Bevorurteilung aufgrund des anfangs fragwürdigen Shift Features ist hoch, aber kann meiner Meinung nach bedenkenlos ignoriert werden. Die normale Version des Spiels ist bereits für 45 Euro bei Amazon* erhältlich und die Collector’s Edition* (inklusive Replika des 1970 Dodge Challenger R/T, einem kurzen Comic Buch, des Stadtplans mit allen Sammelobjekten und zusätzlichen digitalen Inhalten) kommt etwa auf die doppelte Anzahl an Euro.

Gespielt wurde eine von Ubisoft zur Verfügung gestellten Verkaufsversion auf der Xbox 360. Neben der Xbox 360 und Playstation 3 Version erscheint Ende September auch die inhaltlich identische PC Fassung. Weitere Information gibt es auf der offiziellen Homepage und es schadet auch nicht, wenn man ein Facbook Fan von Ubisoft Österreich wird. Ebenfalls verlinke ich einfach mal auf den Beitrag zur Driver Promotour durch Österreich.

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