Rise of Nightmares

Ich bin kein blutiger Anfänger, spiele Videospiele schon seit mehreren Jahren und bin mit dem Medium groß geworden. Die andere Seite der Industrie durfte ich einige Zeit am eigene Leibe erleben und habe dadurch ein komplett anderen und zum Teil erschreckend ehrlichen Einblick hinter die Kulissen von Videospielen erhalten. Trotz all dem und mehr als verdächtigen Hinweisen im Vermarktungskonzept (Keep it Gangsta Trailer / Torture Porn Light Trailer), hat mich ein kleiner Hype rund um Rise of Nightmares erwischt und ich wurde enttäuscht, begeistert, gelangweilt und bin nun unschlüssig.

Rise of Nightmares soll ein Kinect Spiel für die erwachsene Core Gamer Zielgruppe sein und fällt laut Sega in das Genre der Survival Horror Spiele. Es weckt Erinnerungen an das „House of the Dead“-Franchise und funktioniert auch ähnlich, nur anstatt der Lightgun wird dank Kinect der eigene Körper zum Eingabegerät. Inhaltlich findet man sich nach einer kurzen Intro- / Pretutorial-Sequenz in einem osteuropäischen Zugabteil und darf sich sogleich die Kritik seiner Frau gegen den Kopf werfen lassen. Diese ist aufgrund des Alkoholproblems des Alter Egos etwas stinkig und verschwindet um laut Horrorfilm-Klischee #42 entführt zu werden. Der Zug entgleist (Klischee #31), die gerade eben eingeführten Charaktere überleben (Klischee #69) und man tritt gemeinsam einen kurzen Fußmarsch durch einen verfluchten Wald an (Klischee #56). Wenige Minuten später treffen alle auf einem Friedhof zusammen (Klischee #87), man startet die Suche nach seiner verschwunden / entführten Frau in den örtlichen Katakomben (Klischee #13) und darf sich fortan mit einer Armee an Untoten im wahrsten Sinne des Wortes herumschlagen (Klischee #03). Gesteuert wird mittels Kinect und ein Schritt nach vorne oder zurück bewegt sein Alter Ego entsprechend. Richtungswechsel werden durch Schulterdrehungen vollführt und der Einsatz der Nahkampfwaffen erinnert an (Fruit-)Ninja oder Kung-Fu Kämpfer.

Die Stärke des Spiel ist die Steuerung, die deutlich besser funktioniert als man es erwarten würde, aber gleichzeitig auch irgendwie eine Schwäche darstellt. Anfangs etwas ungewohnt merkwürdig, gewöhnt man sich nach einiger Spielzeit an die Eigenheiten und kann dann fast torkelfrei durch die Gegend navigieren (Erinnert sich noch jemand an das bereits erwähnte Alkoholproblem?). Anfangs torkelt man noch etwas mehr durch die Gänge, was aber im Laufe des Spiels stetig weniger wird, wenn man sich voll auf das Steuerungsmodell und Kinect eingelässt. Sehr lobenswert ist der kreative Einsatz der Möglichkeiten von Kinect und die Integration dieser ins Spiel. Mal schwimmt man durch eine Sumpf und streift sich danach die Blutegel von den Armen, greift ins Klo, wühlt in den Eingeweiden eines offenen Corpus, hält sich die Ohren zu um nicht von verrückten Opernsänger-Zombienen in den Wahnsinn getrieben zu werden oder steht Bewegunglos herum um seine Position nicht durch Bewegungsgeräusche zu verraten. Alles relativ simpel, bringt aber eine gewissen Abwechslung zu den obligatorischen Quicktime-Events (Ducken, Springen, Ausfallschritt) und der (realistisch betrachtet) stark repetitiven Spielmechanik: Gehen, Waffe aufheben, Zombies metzeln, verschlossene Tür finden, Schalter / Schlüssel in der näheren Umgebung finden, Tür eintreten, Zombies metzeln, Waffe aufheben, …

Obwohl Rise of Nightmares eine der wohl besten Steuerungen für Kinect bietet, haben die Kollegen vom japanischen Entwickler etwas geschummelt, da die Erkennungsrate der Gesten (freundlich formuliert) mehr als tolerant ist. Dieser Aspekt ist zwar für 99% aller Spieler irrelevant, aber die durch das Heben des rechten Arms integrierte Autonavigation ist praktisch eine Art Eingeständnis an die Probleme, die eine freie Kinect-Integration mit sich bringen kann. Das wohl größte Manko ist aber die technische Limitierung der Hardware in Verbindung mit dem Genre. Survival Horror Games entfalten ihre volle Wirkung bei Dunkelheit, jedoch die schwarze Klavierlackleiste vor oder auf dem Flachbildschirm freut sich über helle und gut beleuchtete Räume. Das bedeutet nicht, dass ein Spielen in dunkler Umgebungen unmöglich ist, aber die Erkennungsrate sinkt deutlich und man betätigt nach ein paar frustrierenden Spielerlebnissen gerne den Lichtschalter. Meiner persönlichen Meinung nach ist es aber gar nicht so schlimm, denn Rise of Nightmares ist weniger ein Vertreter des Survival Horrers als des soeben von mir erfundenen Horror Comedy Torture Porn Light Genres.

Auch wenn auf der Spielpackung mit „Immerse yourself in a gripping horror story!“ geworben wird (Da kommen Erinnerungen an die blumigen Sprüche auf NES / SNES Verpackungen hoch.), habe ich bis zum vierten Akt praktisch nur einen Schreckmoment erlebt. Die Charaktere sind eindimensional und der Storywriter hat irgendwie zu stark in den Hitlisten der Horrerfilm-Klischees gestöbert und damit viel Potential vertan. Der Grund warum Survival Horror funktioniert ist die Geschichte und die emotionale Bindung an die Hauptfigur. Man möchte wissen wie es weitergeht und welches Ende die Geschichte nimmt. Bei Rise of Nightmares war mir persönlich die Geschichte relativ egal, denn die Beseitigung der Untoten bereitet (anfänglich) viel mehr Spaß. Dies fällt jedoch eher in die Torture Porn Light Sparte und wird ähnlich wie bei Filmen des Genres schnell langweilig. So kommt es auch, dass ich den Titel nicht beendet habe und nur bis zum vierten von zehn Akten vorgedrungen bin, da irgendwie die Motivation nachgelassen hat (und wohl erst ein paar Wochen ins Land ziehen müssen, bevor ich erneut Lust auf die Zombiejagd habe).

Viele Ansätzen sind gut und auch Segas Versuch die schwierige Sparte von Bewegungsspielen mit erwachsenen Inhalten zu versorgen ist mehr als lobenswert. Die Fehler in der inhaltlichen Umsetzung, sowie die technischen Limitierungen der Technolgie sorgen für einen fahlen Beigeschmack. Rise of Nightmares ist kein schlechtes Spiel, aber leider auch nicht der Referenztitel, der es bei voll ausgeschöpften Potential hätte werden können. Fans von Splatterfilmen und -spielen kommen auf Ihre Kosten und in dosierter Menge wirken sich das repetitive Gameplay und der vorhersehbare Plot weniger dramatisch auf die Motivation aus. Rise of Nightmares ist seit Mitte September erhältlich und erwachsene Spieler mit einer Kinect Sensorleiste im Haushalt können um günstige 35 Euro (bei Amazon)* zuschlagen.

Gespielt wurde eine von Sega zur Verfügung gestellt Version auf der Xbox 360. Da es sich um einen „Requires Kinect Sensor“ Titel handelt, ist die schwarze Sensorleiste zwingend erforderlich und aufgrund des hohen Blutfaktors sowie der erhöhten Frequenz an Schimpfwörter (F**k) ist Rise of Nightmares das erste Kinect Spiel mit einem PEGI 18+ Rating.

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